Immobilie mieten oder kaufen?
Viele stellen sich die Frage, ob es langfristig nicht günstiger sei, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen, anstatt einfach nur zur Miete zu wohnen.
Am Ende stehst du als Mieter mit leeren Händen da, während der Eigenheimbesitzer ein Haus besitzt und mietfrei wohnt.
Doch ist es wirklich so einfach? Vergleichen wir doch mal beide Szenarien miteinander!
Die Ausgangslage
Sowohl Familie Kaufus als auch Familie Mietus verfügen beide über ein Guthaben von jeweils 50.000 €.
Familie Kaufus kauft nun eine Immobilie im Wert von 400.000 €. Zusätzlich müssen sie noch Kaufnebenkosten in Höhe von 48.000 € bezahlen. Abzüglich des Eigenkapitals müssen sie daher ein Darlehen in Höhe von 398.000 € aufnehmen. Ihre Bank gewährt ihnen das Darlehen mit einem effektiven Zinssatz von 4,00 % und einer anfänglichen Tilgungsrate von 1,50 %.
Familie Mietus hingegen hat einen Mietvertrag für eine identische Immobilie abgeschlossen. Ihre Jahreskaltmiete beträgt 5,00 % des Immobilienwertes. Ihr Startkapital investieren sie in einen Aktien-ETF mit einer Wertsteigerung von 9,00 % pro Jahr.
Bei gleichem Einkommen und unterschiedlich hohen monatlichen Fixkosten hat entweder Familie Kaufus mehr Geld am Ende des Monats übrig (häufig ist das erst der Fall, wenn das Darlehen zurückgezahlt wurde), oder aber Familie Mietus. Diesen Überschuss investiert die jeweilige Familie dann ebenfalls in den erwähnten Aktien-ETF.
Zwischenstand nach einem Monat
Im ersten Monat kamen beide Familien ihren Verpflichtungen nach.
Familie Kaufus hat 1.824 € an ihre Bank überwiesen. Darin enthalten ist eine Tilgung von 497 € (27 %) und eine Zinszahlung von 1.327 € (73 %). Weiterhin mussten sie über den Monat Ihre Immobilie mit 333 € instand halten.
Familie Mietus hingegen hat ihrem Vermieter eine Kaltmiete von 1.667 € gezahlt.
Familie Mietus hatte diesen Monat also 491 € mehr übrig als Familie Kaufus. Diesen Überschuss investieren sie in ihren Aktien-ETF.
Zwischenstand nach einem Jahr
Der Wert der Immobilie hat sich inzwischen auf 406.447 € gesteigert (+1,61 %). Das hat zur Folge, dass Familie Kaufus monatlich nun 338 € aufbringen muss, um die Immobilie instand zu halten. Familie Mietus hingegen muss nun monatlich 1.691 € an Kaltmiete bezahlen.
Das Vermögen der Familie Kaufus beträgt (abzüglich des noch offenen Darlehensbetrages von 391.921 €) jetzt 13.985 €. Bisher konnten sie noch nichts in ihren Aktien-ETF investieren.
Familie Mietus hingegen konnte mit ihren Aktien inzwischen ein Vermögen von 60.752 € aufbauen.
Vermögensentwicklung über die Jahre
Nach 32,6 Jahren hat Familie Kaufus das Darlehen vollständig zurückgezahlt. Von nun an müssen sie nur noch die Instandhaltungskosten der Immobilie tragen und können mehr Geld in ihren Aktien-ETF investieren.
Ergebnis nach 50 Jahren
Beide Familien sind mit 50.000 € gestartet. Um beide Szenanieren am Ende des Betrachtungszeitraumes wieder sinnvoll miteinander vergleichen zu können, verkaufen beide Familien ihr Hab und Gut und machen einen Kassensturz:
Familie Kaufus:
- (Steuerfreier) Immobilienverkauf 889.742 € (122 % Wertsteigerung)
- Aktienverkauf 1.496.801 € (161 % Rendite)
- abzgl. 243.384 € Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag
- Guthaben: 2.141.974 €
Familie Mietus:
- Aktienverkauf 7.641.471 € (6.787 % Rendite)
- abzgl. 1.985.912 € Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag
- Guthaben: 5.655.560 €
Familie Mietus konnte im gleichen Zeitraum bei gleichen Startbedingungen also 2,6-mal so viel Vermögen aufbauen wie Familie Kaufus.
Während des gesamten Zeitraumes fielen für Familie Kaufus folgende Kosten an:
- Kaufnebenkosten 48.000 €
- Instandhaltungskosten 306.089 €
- Zinszahlungen 314.286 €
- Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag 243.384 €
Für Familie Mietus hingegen fielen folgende Kosten an:
- Mietzahlungen 1.530.444 €
- Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag 1.985.912 €
Ist Mieten also besser?
Am Ende handelt es sich um eine vereinfachte Rechnung mit konstanten Parametern. In der Realität gibt es diese Konstanz nicht, dafür aber viele Unsicherheiten:
- In der Regel wird nach einigen Jahren eine Anschlussfinanzierung mit einem neuen, nicht abschätzbaren Zinssatz abgeschlossen.
- Je nach Situation kann die Bank eine Nachbesicherung einfordern.
- Die Wertentwicklung der Immobilie ist von vielen, nicht beeinflussbaren Faktoren abhängig: demografischer Wandel, Nachbarschaft, wirtschaftliche und politische Situation, Gesetzgebung, etc.
- Aber auch die Werte der Aktien sind stark von der wirtschaftlichen und politischen Situation abhängig.
- Es ist nicht absehbar, inwieweit sich die steuerlichen Aspekte ändern werden.
Weiterhin kommt es auch auf die persönliche Einstellung an:
- Kann man mit einem hohen Schuldenberg noch ruhig schlafen?
- Oder überwiegt doch das Freiheitsgefühl, in den eigenen vier Wänden selbstbestimmt zu leben?
- Oder wird Freiheit eher darin empfunden, flexibel und ungebunden zu sein?
Weiterhin sollte bedacht werden, dass persönliche oder berufliche Schicksalsschläge passieren können:
- Was passiert im Krankheitsfall? Was passiert, wenn der Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann?
- Was passiert, wenn ein Teil des Einkommens wegbricht (z. B. nach einer Scheidung)? Stünden dann vielleicht sogar Unterhaltszahlungen im Raum?
- Was passiert, wenn das Haus zu viel Arbeit verursacht oder zu anstrengend wird?
- Was passiert, wenn sich die berufliche und wirtschaftliche Situation ändert? Einen weniger attraktiven Job annehmen? Pendeln? Zweitwohnung?
Auch wenn sich ein Eigenheim jederzeit verkaufen lässt, so ist der Mieter hier grundsätzlich besser aufgestellt. Er ist nicht abhängig vom aktuellen Immobilienmarkt, braucht keine Vorfälligkeitsentschädigungen zu bezahlen und braucht sich auch nicht um einen Käufer und das ganze Drum-Herum zu kümmern. Im Gegenteil: Der Mieter kann relativ unkompliziert die eigene Wohnung an seine Lebenssituation anpassen. Auch muss er bei einem finanziellen Engpass nicht gleich alles verkaufen, sondern kann in der Regel schnell und nach Bedarf seine Aktien anteilig veräußern.
Weiterhin investieren Eigenheimbesitzer in der Regel deutlich mehr in den Bereich Wohnen durch Individualisierung und Anpassungen nach persönlichen Bedürfnissen. Diese Anpassungen werden bei einem Verkauf jedoch kaum den Bedürfnissen des Käufers entsprechen. Folglich wird der Verkäufer auch nicht den für ihn angemessenen Gegenwert dafür bekommen.
Doch was, wenn es gar nicht zum Verkauf der Immobilie kommt, weil "alles nach Plan läuft" und man bis an sein Lebensende dort glücklich lebt? Was interessiert einen dann noch der Wert der Immobilie? An dieser Stelle endet der rationale Vergleich.
Ob sich ein Eigenheim lohnt, bleibt also eine persönliche Entscheidung.